Schlussstrich?
Leider lässt sich mein Geschreibsel auf Zauberweisb Blog nicht direkt verlinken, deswegen stell ich mal den Text zur Schlussstrichdebatte hier direkt rein.
Das Ganze gibt es hier:
http://www.20six.de/zauberweib/archive/2005/05/08/1vjnala49901k.htm#comments
Ich find das mit dem Schlussstrich auch problematisch.
Ich mein politisch ist es so, dass Deutschland die Rolle einer Mittelmacht übernimmt, was von vielen Staaten toleriert, sogar gefördert, wird. Sicher kocht China sein eigens Süppchen, wenn es meint, Deutschland hätte anders als Japan Konsequenzen aus dem Krieg gezogen. Zum einen hat auch Japan Konsequenzen gezogen - auch wenn einiges davon inzwischen zur Disposition steht - zum anderen ging es bei dem kürzlichen Konflikt zwischen beiden Staaten um Geld und Macht aber nicht um Moral, Ethik und Verantwortung.
Und sicher kocht auch Putin seinen Milchreis, wenn er meint, die Russische Föderation hätte sich mit Deutschland längst ausgesöhnt. Andererseits, selbst ein russischer Präsident, mit einer Machtfülle, die nicht mal die ZarInnen hatten, kann so etwas nicht vor den Veteranen des Krieges sagen, wenn dem nicht wenigsten in groben Ansätzen so wäre.
Es ist wahrscheinlich zu einfach zu sagen, Deutschland hätte den Krieg verschuldet. An diesem Krieg hatten auch andere Interesse, andernfalls wäre er wohl auf Mitteleuropa beschränkt geblieben und schneller beendet worden. Aber dieses Land hier trägt einen ganz erheblichen Teil der Verantwortung dafür. Ganz abgesehen davon, dass es keinerlei strategische und wirtschaftliche Notwendigkeit für den Holocaust gab. Der ist in den Hirnen irgendwelcher deutschen Idioten gewachsen.
Obwohl auch hier klar gesagt werden muss, dass andere nicht besser waren. In Stalins Sowjetunion sind kaum weniger JudInnen ermordet worden. Auch in anderen Ländern rund um die Kugel waren Antisemitismus und Rassenlehren in. (Siehe die wiedergefundene Diplom- oder war es Doktor-? -arbeit des viel gerühmten Salvador Allende).
Was ich auch fragwürdig finde sind einige der immer neuen Geldforderungen. Klar lässt sich um Besitz streiten. Das lohnt sich vor allem noch mal im Osten Deutschlands, wo lukrative Grundstücke oder Wertgegenstände wieder verfügbar sind, die lange hinter der Mauer weggesperrt waren. Und dass es eben oft wirklich um die Lukrativität des Erbes geht, zeigen die Fälle vergammelnder Industriebrachen, deren enteignete aber eben rechtmäßige BesitzerInnen sich besser nicht rühren, trotzdem die entsprechenden deutschen Behörden sie ausfindig machen und ihnen ihr Erbe anbieten.
Deutschland ist reich genug, sich die Entschädigungsansprüche der Opfer leisten zu können. Es ist auch reich genug, die Ansprüche der nachfolgenden Generationen zu befriedigen. Die Frage bleibt also, ob es hier um´s Geld geht und wenn ja, wem.
Zahlen ist gut. Und solange es noch Opfer gibt, sollen die auch entschädigt werden, zumindest auf finanzieller Basis. Für die nachfolgenden Generationen halte ich aber andere Lösungen für besser. Solche Sachen , wie Friedenforschung, Begegnungsstätten etc. darf es für meinen Geschmack deutlich mehr geben.
Wer in der Psychologie ein bisschen Ursachenforschung nach der Herkunft vieler Probleme betreibt, merkt bald, dass der Zweite Weltkrieg wie ein Schnitt über vielem liegt. Zwar haben die Menschen im und nach dem Dritten Reich reagiert, wie es im Rahmen ihrer Geschichte logisch war. Aber ist eigentlich erst unsere Generation, die anfängt, die Verstrickungen zu lösen, die während und nach dem Krieg entstanden sind. Terror, Tod, Vertreibung ... Das hat Spuren hinterlassen, die im Einzelnen lange nicht aufgearbeitet sind.
Wenn ich Schattenarbeit betreibe lande ich immer wieder auch bei Dingen, die vor sechszig, siebzig Jahren eine Wendung bekamen, aus der heraus sich das Heutige erklären lässt. Solche Dinge nicht nur bei uns, sondern in den Ländern, die betroffen sind zu thematisieren, in die Öffentlichkeit zu zerren und so ein Stück weit aufzuarbeiten wäre eine Sache, die zu finanzieren sich lohnen würde. Weil wir dann nämlich da sind, wo die eigentlichen Probleme liegen - in den Menschen. Klar erreicht mensch damit nicht alle Leute. Aber es wäre ein Stück Wiedergutmachung - von „wieder gut machen“ - Heilung, die nötig wäre, damit wir nicht weiter blind unsere Traumata ausagieren.
Bei der Gelegenheit ließe sich auch in die Öffentlichkeit holen, was andere bei anderen Gelegenheiten verursacht haben. Dies nämlich würde bedeuten aus der eigenen Geschichte gelernt und aus der eigenen Verantwortung heraus anderen begreiflich zu machen, wo deren dunkle Punkte liegen. Das ist wie der Grundgedanke der charismatischen Psychologie: Wir haben es erfahren und verarbeitet, wir könnten also anderen helfen, mit ähnlichen Dingen umzugehen.
Es wäre z.B: auch spannend zu überlegen, wie weit die Erfahrung des von Deutschen verursachten Holocaust die Bereitschaft und die Art und Wiese der JüdInnen im Nahostkonflikt zu agieren mitbestimmt.
Allerdings ließe sich da viel auch in Deutschland klären. Die Debatte um den deutschen Völkermord an Herero und Nama im letzen Jahr zeigte doch auch nur die Spitze des Eisberges deutscher Kolonialgeschichte. War der deutsche Militäreinsatz im Sudan eher lächerlich und in Afghanistan noch so halbwegs tolerierbar, haben wir uns im Kosovokrieg schon wieder ziemlich viel Scheiße geleistet. Den Irakkrieg 1990 haben wir mitfinanziert und beim letzten gehörten wir trotz offiziell gegenteiliger Bekundungen in gewisser Weise zur Koalition der Willigen. Solange wir so was machen oder zumindest mit uns machen lassen, haben wir keinen Grund irgendwelche Schlussstriche unter irgendwelche Vergangenheitsdebatten zu ziehen.
Wir sind für das, was wir tun oder lassen verantwortlich. Von daher kann es sinnvoll sein, immer wieder daran erinnert zu werden, dass wir eine Vergangenheit haben, aus der sich viel lernen lässt.
Ups, na ja. Wenn ich es eilig habe schreibe ich solche Sachen manchmal im Kommentarstil. Bin halt doch irgendwo noch Journalist. *gg*
Alles Liebe. Markus
Das Ganze gibt es hier:
http://www.20six.de/zauberweib/archive/2005/05/08/1vjnala49901k.htm#comments
Ich find das mit dem Schlussstrich auch problematisch.
Ich mein politisch ist es so, dass Deutschland die Rolle einer Mittelmacht übernimmt, was von vielen Staaten toleriert, sogar gefördert, wird. Sicher kocht China sein eigens Süppchen, wenn es meint, Deutschland hätte anders als Japan Konsequenzen aus dem Krieg gezogen. Zum einen hat auch Japan Konsequenzen gezogen - auch wenn einiges davon inzwischen zur Disposition steht - zum anderen ging es bei dem kürzlichen Konflikt zwischen beiden Staaten um Geld und Macht aber nicht um Moral, Ethik und Verantwortung.
Und sicher kocht auch Putin seinen Milchreis, wenn er meint, die Russische Föderation hätte sich mit Deutschland längst ausgesöhnt. Andererseits, selbst ein russischer Präsident, mit einer Machtfülle, die nicht mal die ZarInnen hatten, kann so etwas nicht vor den Veteranen des Krieges sagen, wenn dem nicht wenigsten in groben Ansätzen so wäre.
Es ist wahrscheinlich zu einfach zu sagen, Deutschland hätte den Krieg verschuldet. An diesem Krieg hatten auch andere Interesse, andernfalls wäre er wohl auf Mitteleuropa beschränkt geblieben und schneller beendet worden. Aber dieses Land hier trägt einen ganz erheblichen Teil der Verantwortung dafür. Ganz abgesehen davon, dass es keinerlei strategische und wirtschaftliche Notwendigkeit für den Holocaust gab. Der ist in den Hirnen irgendwelcher deutschen Idioten gewachsen.
Obwohl auch hier klar gesagt werden muss, dass andere nicht besser waren. In Stalins Sowjetunion sind kaum weniger JudInnen ermordet worden. Auch in anderen Ländern rund um die Kugel waren Antisemitismus und Rassenlehren in. (Siehe die wiedergefundene Diplom- oder war es Doktor-? -arbeit des viel gerühmten Salvador Allende).
Was ich auch fragwürdig finde sind einige der immer neuen Geldforderungen. Klar lässt sich um Besitz streiten. Das lohnt sich vor allem noch mal im Osten Deutschlands, wo lukrative Grundstücke oder Wertgegenstände wieder verfügbar sind, die lange hinter der Mauer weggesperrt waren. Und dass es eben oft wirklich um die Lukrativität des Erbes geht, zeigen die Fälle vergammelnder Industriebrachen, deren enteignete aber eben rechtmäßige BesitzerInnen sich besser nicht rühren, trotzdem die entsprechenden deutschen Behörden sie ausfindig machen und ihnen ihr Erbe anbieten.
Deutschland ist reich genug, sich die Entschädigungsansprüche der Opfer leisten zu können. Es ist auch reich genug, die Ansprüche der nachfolgenden Generationen zu befriedigen. Die Frage bleibt also, ob es hier um´s Geld geht und wenn ja, wem.
Zahlen ist gut. Und solange es noch Opfer gibt, sollen die auch entschädigt werden, zumindest auf finanzieller Basis. Für die nachfolgenden Generationen halte ich aber andere Lösungen für besser. Solche Sachen , wie Friedenforschung, Begegnungsstätten etc. darf es für meinen Geschmack deutlich mehr geben.
Wer in der Psychologie ein bisschen Ursachenforschung nach der Herkunft vieler Probleme betreibt, merkt bald, dass der Zweite Weltkrieg wie ein Schnitt über vielem liegt. Zwar haben die Menschen im und nach dem Dritten Reich reagiert, wie es im Rahmen ihrer Geschichte logisch war. Aber ist eigentlich erst unsere Generation, die anfängt, die Verstrickungen zu lösen, die während und nach dem Krieg entstanden sind. Terror, Tod, Vertreibung ... Das hat Spuren hinterlassen, die im Einzelnen lange nicht aufgearbeitet sind.
Wenn ich Schattenarbeit betreibe lande ich immer wieder auch bei Dingen, die vor sechszig, siebzig Jahren eine Wendung bekamen, aus der heraus sich das Heutige erklären lässt. Solche Dinge nicht nur bei uns, sondern in den Ländern, die betroffen sind zu thematisieren, in die Öffentlichkeit zu zerren und so ein Stück weit aufzuarbeiten wäre eine Sache, die zu finanzieren sich lohnen würde. Weil wir dann nämlich da sind, wo die eigentlichen Probleme liegen - in den Menschen. Klar erreicht mensch damit nicht alle Leute. Aber es wäre ein Stück Wiedergutmachung - von „wieder gut machen“ - Heilung, die nötig wäre, damit wir nicht weiter blind unsere Traumata ausagieren.
Bei der Gelegenheit ließe sich auch in die Öffentlichkeit holen, was andere bei anderen Gelegenheiten verursacht haben. Dies nämlich würde bedeuten aus der eigenen Geschichte gelernt und aus der eigenen Verantwortung heraus anderen begreiflich zu machen, wo deren dunkle Punkte liegen. Das ist wie der Grundgedanke der charismatischen Psychologie: Wir haben es erfahren und verarbeitet, wir könnten also anderen helfen, mit ähnlichen Dingen umzugehen.
Es wäre z.B: auch spannend zu überlegen, wie weit die Erfahrung des von Deutschen verursachten Holocaust die Bereitschaft und die Art und Wiese der JüdInnen im Nahostkonflikt zu agieren mitbestimmt.
Allerdings ließe sich da viel auch in Deutschland klären. Die Debatte um den deutschen Völkermord an Herero und Nama im letzen Jahr zeigte doch auch nur die Spitze des Eisberges deutscher Kolonialgeschichte. War der deutsche Militäreinsatz im Sudan eher lächerlich und in Afghanistan noch so halbwegs tolerierbar, haben wir uns im Kosovokrieg schon wieder ziemlich viel Scheiße geleistet. Den Irakkrieg 1990 haben wir mitfinanziert und beim letzten gehörten wir trotz offiziell gegenteiliger Bekundungen in gewisser Weise zur Koalition der Willigen. Solange wir so was machen oder zumindest mit uns machen lassen, haben wir keinen Grund irgendwelche Schlussstriche unter irgendwelche Vergangenheitsdebatten zu ziehen.
Wir sind für das, was wir tun oder lassen verantwortlich. Von daher kann es sinnvoll sein, immer wieder daran erinnert zu werden, dass wir eine Vergangenheit haben, aus der sich viel lernen lässt.
Ups, na ja. Wenn ich es eilig habe schreibe ich solche Sachen manchmal im Kommentarstil. Bin halt doch irgendwo noch Journalist. *gg*
Alles Liebe. Markus
mdw - 10. Mai, 10:27
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