Samstag, 18. Juni 2005

Wege durch´s Moor

Ich hab mich gefragt, warum viele Leute meinen, ich wäre aus Schottland irgendwie nicht wiedergekommen. Die Antwort ist ganz simpel: Die können nicht gucken. Ich bin zwar wieder da. Aber etwas hat sich verändert, ich steh irgendwie am Rand von etwas Neuem, das ich noch nicht benennen kann und eigentlich auch gar nicht bennenen will.

Keine Ahnung, wo das anfing, wie das anfing. Es gibt nur zwei, drei Punkte, wo ich klar sehe, die haben es befördert. Der Suilven gehört definitv dazu.

Weil meine Fotos davon irgendwie nicht netztauglich klein zu kriegen sind, mal ein Link zu einer englischsprachigen Seite mit wirklich schönen Bildern. Noch mehr googlen lohnt sich. Suilven ist geil.

Er ist für mich nicht das Dach der Welt, wie manche es empfinden. Aber es ist ein ganz kribbliges Gefühl, 600 Meter über dem Boden zu sein, der Dutzende Kilometer weit keinen weiteren vergleichbaren Berg hat. Zumal, weil der Suilven so verdammt schmal ist. An einer Stelle fußbreit, mehr nicht. Aber auch weil er sich anfühlt wie ein Tier, das jeden Moment gehen kann. Es ist wie Reiten auf einer urtümlichen Kraft. Der Eindruck wird noch verstärkt durch die Lange des Bergkammes. Nirgendwo breiter als vielleicht 50 Meter ist er mehr als zwei Kilometer lang.

Suilven ist der Rest eines Gebirges, das vor etwa zwei Milliarden Jahren höher war als der Himalaya heute. Der rote Sandstein gehört zu den ältesten noch bestehenden Materialien der Erde. Er ist dort entstanden, wo heute Feuerland und die Falklands liegen.

Die Steine des Suilven haben für mich gesungen. Ich wollte es auch nicht glauben aber es war so. Es war ein Lied von Bestand und Zerfall - u.a.
In meiner Sprache vielleicht eines von Werden, Leben und Sterben. Von Halten und Loslassen. Die Frage "Na und?" kommt darin vor.

Allerdings, so alt er auch sein mag und so "abgehoben" er scheint, er ist Teil der Erde. Reiten auf dem Suilven heißt nie, die Erde verlassen.
Im Gegenteil. Während die westliche, etwas höhere Spitze leicht zu erreichen ist und das Plateau fast so groß, wie ein Fußballfeld sein könnte, ist der Weg auf die östliche Spitze schwierig bis unmöglich für Menschen, die sich nicht die Zeit nehmen und den Mut haben, ihn zu finden. Zudem benötigt mensch einige Freeclimbing-Erfahrungen. Der Felsen am Schlus icst sicher nicht höher 15 oder 20 Meter. Aber 600 Meter tief. Das bremst. Ich habs nicht geschafft und das kann ich nicht auf meine Knieentzündung schieben, die ich mir zwei Tage vorher geholt hab. Aber ich sag mal keck, noch nicht geschafft.
Die Sache ist die: es geht um den Rückweg. Eigentlich ein blöder Gedanke oder? Irgendwie runter kommt mensch immer, es sei denn, mensch ist wirklich verdammt weit oben. Irgendwie = Na und? Nicht ganz aber ein bißchen schon.

Ein bißchen ähnlich alt wie Suilven und doch ganz anders hat sich im letzten Jahr der Old Man of Skorr auf der schottischen Isle of Skye angefühlt.

Apropos Old Man. Der Old Man of Stoer, bei dem ich einen Tag nach dem Suilven-Tripp war. Ich denke, dass der Old Man of Stoer seit langem weiß, wie er mit Menschen reden muss. Ich weiß nicht, vielleicht sogar eher mit Männern. Der Old Man of Skorr schien mir nicht spezifisch auf Männlichkeit ausgerichtet zu sein, beim Old Man of Stoer hatte ich einen anderen Eindruck.

Fragen über Fragen und hunderte Kilometer Fußwege durch Moor zu den Antworten. Immerhin, die Wege zu einigen Antworten sind gefunden. Im in den schottischen Mooren nicht immer einfach.

Doch, doch, ich bin wieder hier. Nur ist die Welt im Wandel, ich auch ;) Nicht alles davon ist Erosion.

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